Wie schon erwähnt haben wir 2021 den Unterlauf der Sambre zwischen Charleroi und Namur flussabwärts kennengelernt. Diese Saison soll es weiter nach Frankreich gehen.
Es regnet seit einigen Tagen. Die Erinnerungen an das Hochwasser im Sommer 2021 sind noch recht wach. Am 10. Mai legen wir um 8h45 in Namur ab. Zunächst wollen wir die Strömung testen, um sicherzustellen, dass wir weiterfahren können. Zu unserer Überraschung liegt die Strömung nur bei 1 km/h.
Namur > Auverlais
Es gibt kaum Anlegemöglichkeiten zwischen Namur und Charleroi. Die Schleusen auf dieser Strecke sind für Frachter bis 110m gebaut. Die Kammern haben eine Dimension von 111,9 x 12,5 m. Nur die Schleuse von Auvelais ist etwas grösser. Sie misst 136 x 12,5m. Da hier im Allgemeinen ein recht reger Berufsverkehr herrscht, kann nur ein Frachtschiff (oder mehrere Freizeitboote) geschleust werden. Ausserdem gilt auch hier, dass Berufschiffer absoluten Vorrang haben.

Bei den ersten drei Schleusen haben wir Glück und müssen nicht lange warten, bis wir geschleust werden. Es ist hilfreich sich recht früh über Funk anzumelden und je nach Situation seine Geschwindigkeit anzupassen. 3 Stunden brauchen wir für die Strecke der ersten drei Schleusen.
Inzwischen ist Mittagszeit. Es liegen noch 5 Schleusen vor uns bis zum Yacht-Hafen von Landelies. Also grob geschätzt noch mindestens 5 – 6 Stunden, wenn wir den Rhythmus beibehalten können. Je mehr wir vorankommen, um so stärker wird die Strömung. Jetzt liegt sie bei 2,5 km/h.
Als wir an der Schleuse von Auvelais ankommen, fährt gerade ein 110m Frachtkahn ein. Zunächst verharren wir in ausreichender Entfernung vor dem Schleusenkanal im Unterwasser.

Der Schleusenwärter weist den Berufsfahrer an, uns Platz zu machen. Jetzt fahren wir langsam vor und warten im Schleusenkanal ab. Noch bevor wir die Schleusenkammer erreichen, gibt der Frachter noch einmal richtig Gas, um sich zu platzieren, …
Jetzt passiert genau das, was man schon öfters in Videos oder auf Youtube sehen konnte!
Die dadurch hervorgerufenen Turbulenzen bringen uns in grosse Schwierigkeiten. Unser Boot stellt sich zunächst quer zum Kanal und beginnt abzudriften. Es gelingt uns durch eine 180° Wendung den Schleusenkanal wieder flussabwärts zu verlassen. So schaffen wir es, das Schiff wieder unter Kontrolle zu bekommen. Dann wenden wir erneut um 180° in Richtung Schleuse. So warten wir ab, bis sich das Wasser vollständig beruhigt hat. Auch die Schraube des Frachters steht jetzt still!
Vielleicht taucht irgendwann mal eine Video auch von uns auf…. Von solchen Szenen hört man ja öfter. Man glaubt’s erst, wenn es einem selbst passiert. Murphy gilt auch beim Bootsfahren, hier vielleicht sogar mehr als sonstwo!
Das Bild oben zeigt den 15m breiten Schleusen-Kanal. Es wurde später aufgenommen. Wir wollten uns die Situation wieder vor Augen führen. Mit gelegtem Mast misst unser VAGABOND rund 12,5m. Zum Wenden und Manövrieren bleibt kaum Platz.
Nach diesem Stress entschliessen wir, nicht mehr weiter zu fahren. Es wäre auch sicherlich zeitlich sehr eng geworden, wie der folgende Tag zeigen wird.
Im Oberwasser der Schleuse Auvelais liegt man recht ruhig am Kai. Auf Anfrage empfiehlt uns der Schleusenwärter, mindestens 500 m Abstand zur Schleuse zu wahren.

Da die Schleusen hier nachts nicht bedient werden, herrscht zwischen 19h00 und 6h00 völlige Ruhe, welche wir auch nach diesem Adrenalin-Tag verdient haben.
Auvelais > Landelies
Am nächsten Morgen starten wir vor 8h. Alle Schleusen bis Charleroi nehmen wir alleine. Hinter Auvelais beginnt der industrielle Grossraum von Charleroi. Nun wechseln sich Chemiewerke, verfallene Industrieanlagen und neue Recyclingbetriebe ab.
Wer zur schönen idyllischen Sambre will und von der Maas her kommt, muss hier halt durch. Es wird deutlich, wie aus einer ehemals blühenden, reichen Stahl-, Kohle- und Glasindustrie-Region, ein strukturell schwächere Gegend werden konnte (verglichen mit Flandern und Brüssel).


Die Fahrt durch Charleroi ist trotzdem eine Reise wert, oder gerade auch deshalb. Es soll uns daran erinnern, wie schnell es gehen kann,… denken wir nur an die Umbrüche, die uns gerade in Europa bevorstehen.
Bei der Einfahrt in die Stadt sagt man sich am besten beim Schleusenwärter der Schleuse Marcinelle an. Er steuert den Verkehr über den engen und kurvenreichen Fahrweg. Zwischen der Schleuse Montignies s/ Sambre und Marcinelle gilt Linksverkehr.

Sehr eng wird es dann vor der Schleuse Marcinelle… Die Schleuse liegt auf Backbord am rechten Ufer.

3 1/2 Stunden haben wir für den Weg bis hierher gebraucht. Direkt hinter der Schleuse befindet sich die Abzweigung zum Kanal nach Brüssel oder zum „Canal du Centre“.
Wir fahren weiter auf der Sambre durch eine Gegend, die man heute als „Lost places“ bezeichnen würde.






Als wir uns der letzten grossen Schleuse Monceau nähern, sehen wir, dass gerade ein Frachter „rückwärts“ in die Schleuse einfährt! Dass auf der Sambre einem manchmal Frachtschiffe im Rückwärtsgang begegnen, wussten wir und haben es auch schon selbst bei Floriffoux 2021 erlebt. Aber, dass wir es jetzt ganz nah miterleben, und dann noch inbeim Schleusen, hat uns noch gefehlt.
Die Schleuse misst 115 x 12 m. Der Frachtkahn ist 80 m lang, also sollte es klappen. Vermerkt sei noch, dass diese Schleuse mit 4,90 m recht hoch ist. Was an sich kein Problem darstellt, aber hier gibt es keine Festmacher an den Kammerwänden.
Der Schleusenwärter „angelt“ die Leinen und legt sie um die Poller.

Die Schleusung verläuft problemlos. Wie geht es jetzt weiter?
Wir müssen eine ganze Weile hinter dem Bug (!) des Frachters bleiben. Überholen ist hier wegen der Enge und Kurven kaum möglich, ausserdem sollte man einen Berufschiffer nicht behindern.
Der Frachter bewegt sich sehr vorsichtig mit etwa 3km/h.


Sein Ziel ist ein Kalksteinbruch in 2 km Entfernung. Inzwischen beträgt die Strömung 3 km/h.
Als wir dann nach 40 Minuten an ihm vorbeifahren können, bedankt der Berufschiffer sich bei uns, weil wir ihn beim Manövrieren nicht behindert haben.
Bevor wir am Hafen Landelies ankommen, nehmen wir noch eine kleine Schleuse. Jetzt entsprechen die Schleusen etwa dem fanzösischen Freycinet-Format.
Nun sind wir im „Freizeit“-Teil der Sambre angekommen. Ab jetzt werden die Schleusen manuell von Schleusenwärtern bedient.


Von der Schleuse bis zum Hafen sind es nur ein paar 100 m. Zunächst geht es weiter flussabwärts, dann biegt man auf Backbord in den Flussarm zum Wehr. Anlegemöglichkeiten gibt es am rechten Ufer.

Die Industrie liegt hinter uns, wir können in den Entspannungs-Modus umschalten.
Statistik
Namur > Auverlais: 30km / 4,4h / 4 Schleusen
Auverlais > Landelies : 38km / 6,3k / 5 Schleusen