2025 #12 Richtung Dünkirchen

Canal de la Deûle – Canal de l’Aire – Canal de Neufossé

Für die Fahrt von Wambrechies nach Aire sur la Lys warten wir den nächsten regenarmen Tag, der allerdings als sehr windig angesagt wird, ab.

Früh, noch vor 8h machen wir uns auf den Weg. Der Wind soll erst gegen 11h stärker werden, dann aber kräftig mit Böen bis zu 8 bft. Heute geht es uns vor allem darum, ein Stück voranzukommen. 70km und 3 Schleusen liegen vor uns. Nach wenigen Kilometern erreichen wir die erste Schleuse. Wir können sofort einfahren. Bei der Schleuse „Don“ haben wir weniger Glück. Dort müssen wir zwei Schleusungen abwarten. Es soll die einzige Verzögerung an diesem Tag bleiben.

2018 hatten wir im Oberwasser der Schleuse Don übernachtet. Da der Berufsverkehr zwischen 22h und 6h unterbrochen wird, kann man zur Not an einer Kai-Mauer im Kanal übernachten. Häfen sind hier selten. Die Gegend zwischen Lille und Douai ist von Industrie geprägt. Das lädt natürlich nicht zum Verweilen ein.

Als wir nach fast 4 Stunden in den Canal de l’Aire abbiegen, wird die Landschaft lieblicher. Die Schleuse „Cuinchy“ erreichen wir gehen 12h30. Die Kammerwände bestehen aus senkrechten Spundwänden und waagrechten Stahlschienen (ähnlich wie Leitplanken an Autobahnen).

Illustration: Kai-Mauer im Stil der Wände der Schleuse Cuinchy

Beim Schleusen achten wir drauf, Abstand zu den Wänden zu halten. Da wir flussabwärts unterwegs sind , gelingt das recht gut.

Auf dem Kanal treffen wir nur auf etwas Berufsverkehr. Freizeitkapitäne sind hier wohl weniger unterwegs. Das ändert sich, als wir uns unserem Zielhafen in Aire sur la Lys nähern. Dies liegt am Zufluss der Lys, einem typischen Freizeitgewässer.

Dort finden wir einen völlig neu gestalteten, modernen Yacht-Hafen, der fast jeden Service bietet. So gibt es neben Wasser und Strom an allen Stegen festinstallierte Fäkalienpumpen. Das Hafengebäude bietet neben den Sanitäranlagen und Waschmaschinen auch eine kleine Bar, an der nordfranzösisches Bier serviert wird.

Die gepflegte Anlage ermutigt uns, hier drei Tage zu verweilen. Wir nutzen die Zeit zu einem Stadtbesuch und einer Fahrt nach Saint Omer. Fernab von Paris werden überall in der französischen Provinz grosse Anstrengungen unternommen, um diese Regionen attraktiver zu gestalten. In Aire fliessen 4 Bäche und Flüsse zusammen. Die Stadt Aire lebt vor allem von Agrarindustrie. Noch heute arbeitet hier eine der grössten Mühlen im Norden Frankreichs.

Wir fahren mit dem Bus nach Saint Omer. Das klingt zunächst einfach, ist es aber nicht. Vergeblich versuchen wir, jemanden zu finden, der uns Auskunft geben kann: wann und wo fährt der BUS ab? Gibt es überhaupt eine Busverbindung? Im Zentrum von Aire treffen wir auf einen älteren Herrn, der unser Rätsel löst: Ja es gibt einen Bus, Ja es gibt eine Bushaltestelle „dort, wo der Müllkorb steht,…“ . Ob und wann der Bus fährt, weiss er allerdings nicht. Wie mancherorts, ist das Auto noch das bevorzugte Verkehrsmittel.

Am nächsten Morgen wollen wir es versuchen. Wir haben Glück, um 9h21 naht der Bus 511, der uns nach St. Omer bringt. Viel Zeit bleibt uns nicht zum Bummeln. Der Bus fährt kurz nach 12h wieder zurück.

Bei der Touristen-Information erhalten wir eine Karte mit einigen Rundweg-Vorschlägen. So nutzen wir die 2 Stunden, die uns bleiben, zu einem ausgedehnten Spaziergang durch die Stadt, entlang der sehenswerten historischen Bauten: Cathédrale Notre-Dame, Vestiges de l’Abbaye Saint-Bertin, la Grande Place. Auf den Besuch der Brauerei Saint Omer müssen wir leider verzichten.

Nach Arques fahren wir am nächsten Tag mit dem Boot. Die Stadt liegt unweit von Saint Omer am anderen Ufer des Canal de Neuffossé. Arques ist weltweit bekannt durch seine Cristallerie d’Arques. Heute wird hier noch Glas für industrielle Anwendungen produziert.

Die grosse Schleuse Fontinettes steht für uns bereit. Die Talfahrt der über 13m tiefen Schleuse geht recht zügig voran. Nach weniger als 30 Minuten verlassen wir die Kammer. Nur einen Kilometer entfernt liegt die Schleuse „Flandres“. Auch sie steht bereit.

Einen halben Kilometer hinter ihr finden wir in einem Seitenarm die „Base nautique d’Arques„. Wir sind das erste Boot an diesem Tag, das dort am Längssteg festmacht. Später gesellen sich noch drei niederländische Schiffe hinzu.

Wir nutzen den Nachmittag zu einem Besuch des ehemaligen Schiffshebewerks „Fontinettes“. Das Hebewerk mit Freycinet-Massen (38,50×5,05) aus dem Jahre 1888 ersetzte eine Schleusentreppe von 5 Schleusen. 1967 wurde es durch eine grosse Schleuse im Europa-Format (144×12) ersetzt. Die Dauer des Schleusens ist zwar ähnlich, allerdings können 6 traditionelle Péniches gleichzeitig geschleust werden. Das war zumindest bis in die 80ger Jahre so. Heutzutage verkehren hier grössere Kähne. In den nächsten Jahren soll eine zweite Kammer die Schleuse ergänzen.

Das Hebewerk kann besichtigt werden. Technikinteressierte sollten sich den Besuch nicht entgehen lassen.

Nach reichlicher Überlegung entscheiden wir uns in Arques, den Hafen von Dünkirchen „links liegen“ lassen zu lassen.

Nicht etwa aus zeitlichen Gründen oder weil ein Besuch von Dünkirchen uninteressant wäre. Nein, dies hat eher rechtliche Gründe. Unser Schiff ist in Frankreich für „Binnengewässer“ in Paris angemeldet und bei der zuständigen Behörde registriert. Wer ins maritime (französische) Wasser möchte und unter französischer Flagge fährt, braucht eine sogenannte „Francisation“ (Französisierung). Abgesehen von der recht aufwändigen Prozedur, zieht dies auch jährliche Kosten nach sich (in unserem Fall 342€ z.Z.). Dies zusätzlich zur „Vignette“, die von VNF für die Nutzung der französischen Wasserwege anfällt (556€/Jahr in unserem Fall). Auf der Seine haben wir schon vor Jahren die gleiche Situation erlebt. Ab der Stadt Rouen gilt Seerecht. Somit endete unsere Bootsreise auf der Seine in der Stadt Rouen ! 80km von der Küste entfernt.

Wir lassen es also nicht darauf ankommen, im Hafen vom Zoll kontrolliert zu werden und entscheiden uns direkt über den Canal de Furmes nach Belgien zu fahren.


ZUSAMMENFASSUNG:

17./ Wambrechies > Aire sur la Lys: 65km, 3 Schleusen, 7,6Mh
18./ Aire sur la Lys > Arques: 16km, 2 Schleusen, 1,9Mh

2 Antworten auf „2025 #12 Richtung Dünkirchen

  1. Vielen Dank für die immer wieder sehr informativen Berichte.

    Insgesamt lässt uns das davon abhalten, mit unserer „Linea colonia“, 15mx4,65m und 4,10m Höhe bzw mit heruntergeklapptem Cabriodach noch 3,30m Höhe sowie 1,30 Tiefgang in irgendwelche französischen Kanäle zu fahren.
    So werden wir vorerst in holländischen und deutschen Gewässern bzw. später wieder in der Ostsee unterwegs sein…unser Schiff brauch Raum.

    Weiterhin lesen wir mit grossem Interesse eure Erzählungen.
    Vielen Dank
    Manfred und Tina

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