Kanaal Plassendale-Nieuwpoort – Kanaal Gent-Oostende – Ringvaart – Lys – Boven Zeeschelde – Zeekanaal Brussel-Schelde – Ruppel – Beneden Nete – Netekanaal – Albertkanaal
Wir verlassen Nieuwpoort, nachdem die „Gehfähigkeit“ des Kapitäns sich verbessert hat. Unser „Sommerziel“ Antwerpen soll noch vor Ende Juni erreicht werden.
Brügge
Auf dem Weg zum Passantenhafen „Coupure“ in Brügge gilt es, einige Hebe- oder Drehbrücken und drei Schleusen zu überwinden. Auf dem Weg dorthin begleiten uns fünf Freizeitschiffe und ein Frachter.
Auf den Kanalstrecken überholen uns unentwegt Fahrrad-Teams. Hier bewahrheitet sich: Belgien ist eine Radfahrnation.

Bis zur Schleuse „Dammepoort“ im Nord-Westen von Brügge kommen wir gut voran.



Die Schleuse „Dammepoort“ besitzt eine ungewöhnliche Form aufgrund ihrer gebogenen Wände. Dem Frachter wird die lang gebogene Steuerbordseite zugeteilt. Die 5 Yachten müssen an der gegenüberliegenden Seite im Halbrund anlegen. Festmachen ist hier ein grosses Wort! Es gibt ein paar Ösen und Seile. Wir haben einen ungünstigen Platz erwischt. Da die Wand nicht genügend Raum für alle lässt, bieten wir einer englischen Crew an, sich an uns ranzulegen. Mit einiger Mühe können wir die zwei Boote während des Schleusenvorgangs stabilisieren.
Die Durchfahrt oder besser gesagt Umfahrung von Brügge erweist sich als ein „Nadelöhr“. Der Kanal ist eng mit einigen Brücken und der Frachtverkehr kann recht stark sein, so dass es an der Dammepoort-Schleuse zu Stau kommen kann.
Die Brücke zum Passantenhafen wird vom Hafenmeister bedient. Auch wenn es dazu einen VHF Kanal gibt, ist es besser ihn direkt telefonisch zu erreichen. Der Hafenmeister ist sehr hilfsbereit und kümmert sich um jedes ankommende Boot.



In der Nähe der Brücke befindet sich im Kanal ein Wartesteg ohne Landzugang, der mitunter als „Liegeplatz“ genutzt wird, wenn die Brücke zum Hafen defekt ist, was während unseres Aufenthalts vorkam.
seit letztem Jahr besitzt der Hafen ein neues, gut ausgestattetes Sanitätsgebäude.
Auf einer alten Stadtkarte lässt sich gut ersehen, woher der Name des Hafens „Coupure“ (z.D.: Unterbrechung, Durchstich) seinen Ursprung hat. Der Kanal wurde erst im 18. Jahrhundert gebaut, um die Verbindung von Brügge mit Gent zu verbessern.

Es ist unser zweiter Besuch mit dem Boot in der Stadt. Wegen der eingeschränkten Beweglichkeit geniessen wir mehr die Ruhe im Hafen als die Hektik der Stadt. Es ist bemerkenswert, die Bilder von 2021 mit denen von heute zu vergleichen. Auch hier hat der Massentourismus eingeschlagen!


Gent
Nach vier Tagen machen wir uns auf den Weg nach Gent. Wir werden von drei Charterbooten begleitet.
Der Kanal bleibt am Anfang eine Weile sehr eng. Hier ist Vorsicht geboten! Entgegenkommende Frachter sind mehr daran interessiert, die Schleuse „Dammepoort“ zügig zu erreichen, als auf „Freitzeitschiffer“ besondere Rücksicht zu nehmen. Auch diesmal wird es für uns einen kurzen Moment eng!
Dann steht nichts mehr im Weg und wir erreichen den Passantenhafen in Gent nach fünf Stunden Fahrt. Der nette Hafenmeister in Brügge hatte seinem Kollegen in Gent unsere Ankunft angekündigt. So finden wir einen gutgelegen Platz am Längssteg.

Auch wenn die beiden Städte sich historisch ähneln, wirken sie doch sehr unterschiedlich auf uns. Um es auf den Punkt zu bringen, kann man dem Hafenmeister rechtgeben, wenn er sagt: „Brügge lebt am Tag, Gent während der Nacht„. In Brügge fallen vor allem die vielen Touristen auf, in Gent sind es Studenten.
Wir nutzen unsere Zeit zu zwei Museumsbesuchen. Das Designmuseum ist leider wegen Renovierungsarbeiten geschlossen. So haben wir Zeit, um das MSK (Museum der Schönen Künste) zweimal aufzusuchen. Eine Sonderausstellung des Zeichners Jules de Bruycker erweckt unser besonderes Interesse. Aber auch ein kleines Museum, das sich mit dem Alltagsleben, den Bräuchen und Gewohnheiten beschäftigt, hat uns gut gefallen.



Antwerpen
Wie immer, wenn man von Gent nach Antwerpen (oder umgekehrt) fahren will, muss man sich vor der Abreise über die Fahrbedingungen auf der Schelde informieren: Tidenhub, Seeschleusen-Bedienzeiten etc.
Da wir auf Talfahrt sind, brauchen wir ablaufendes Wasser, somit Hochwasser bei der Abfahrt. Die Hochwasserzeiten liegen Ende Juni dieses Jahr am Nachmittag, was eine direkte Fahrt bis Antwerpen zum Hafen Willemdok erschwert. 2018 hatten wir Hochwasser um 6h30 in Gent.



Ein Anruf an der Schleuse Kattendijk in Antwerpen erledigt diese Frage allerdings sehr schnell! Die Schleuse ist seit gestern ausser Betrieb. Die Reparatur wird voraussichtlich eine Woche in Anspruch nehmen. Warten wäre riskant, also entschliessen wir uns zur Alternative über die Ruppel und Nete: also Schelde zu Tal, Ruppel und Nete zu Berg.
Jetzt gilt es noch die Zwischenstopps festzulegen. Im offenen Gezeitengewässer mit zusätzlicher Flussströmung zu übernachten, macht uns keinen besonderen Spass. Wir entscheiden uns für eine erste Etappe von Gent zum ruhigen Hafen von Willembroek am Zeekanaal Brussel-Schelde.
Wir sehen die Abfahrt für den 21. Juni vor. Hochwasser in Melle wird für 15h12 erwartet. Von der Seeschleuse Merelbeke nach Melle sind es noch etwa 4 km.
An der Seeschleuse Wintam ist Niedrigwasser um 18h37. Bis dorthin sind es rund 70km.

Um sicherzustellen, dass wir Wintam erreichen, bevor wieder starker Gegenstrom einsetzt, nehmen wir die Schleuse Merelbeke eine gute Stunde vor Hochwasser.
Wir verlassen den Hafen um 12h45 und erreichen die Schleuse Merelbeke gegen 13h30. Als wie ankommen, steht die Backbordschleuse schon bereit.
Wir verlassen die Schleuse gegen 14h und fahren so etwa eine Stunde noch gegen die abnehmende Gegenströmung. Unsere Reisegeschwindigkeit liegt jetzt bei etwa 7km/h (SOG). Unsere übliche Geschwindigkeit im Wasser liegt bei etwa 10 km/h (1800 U).
Nach 1h30 nehmen wir Fahrt auf. Dendermonde erreichen wir nach drei Stunden, die Geschwindigkeit hat sich zwischen 13 und 15km eingependelt. An der Schleuse Wintam kommen wir gegen 19h nach 5 Stunden Fahrt an. Von der seit einer halben Stunde einsetzenden Gegenströmung merken wir noch nichts. Jetzt entspricht die „Geschwindigkeit über Grund“ unserer üblichen Fahrgeschwindigkeit im Wasser, etwa 9-10 km/h.

Die Schleuse verlassen wir um 20h und erreichen den kleinen Hafen in Willebroek eine Stunde später, wo wir einen Platz direkt vor der Klein- Willebroek Schleuse finden.

Am nächsten Tag beginnt das Rechnen für die zweite Etappe schon während des Frühstücks. Jetzt geht es zu Berg, also starten wir mit auflaufendem Wasser. Niedrigwasser in Boom haben wir um 8h. Wegen der zwei niedrigen Brücken auf der Beneden Nete gilt es, weder zu früh noch zu spät zu starten. 2 Stunden nach Niedrigwasser in Boom (etwa 3h nach Antwerpen!) ist ein guter Wert. Die Schleusenwärter sowohl in Willebroek als auch in Duffel bestätigen unsere Einschätzung. Die Schleuse Willebroek wird an unserem Fahrtag ab 10h bedient, an der Schleuse Duffel haben wir 1h30 später genügend Wasser (unter dem Kiel).

Vom Passantenhafen Lier trennen uns nur noch eine Viertelstunde.
Als wir dort ankommen, finden wir am Steg die ANNE-MARIA, eine der drei von LINSSEN-YACHTS gebauten „New Classic Sturdy 36 AC„. Welch ein Zufall!!! Dies gab uns Gelegenheit zu einem angeregten und netten Erfahrungsaustausch mit den Besitzern aus Duisburg.

Hier bleiben wir eine Nacht, bevor es weitergeht Richtung Antwerpen.
Die Zufahrt zum Hafen Willemdok in Antwerpen über den Albertkanaal wird wegen des Baus eines Tunnels unter der Schelde im Hafengebiet stark beeinträchtigt. Der Weg zum Hafen wurde wegen der Bauarbeiten verlegt. Man fährt jetzt nicht mehr durch die „Siberiabrug“ zum Katteldijk-Dok sondern über die Luikbrug, Asiabrug und Mexicobrug.
Der Verkehr auf dem Albertkanal zum Hafengebiet wird im Wechselverkehr abgewickelt. Alle 3/4h wechselt die Fahrtrichtung im Konvoi (West > Ost; Ost> West). Wir melden uns auf VNF Kanal 5 mit Angabe der vorgesehenen Informationen an: Bootsname, FD-Nummer, Anzahl der Personen an Bord.
Wir haben Glück und können mit dem Frachter Nadia die Engstelle passieren. Anschliessend geht es direkt zur Luikbrug, die schon geöffnet wurde.
Leider erreichen wir die Londonbrug 15 Minuten zu spät, um noch die mögliche Hebung um 12h45 ausnutzen zu können.
So machen wir im Katteldijkdok fest, essen zu Mittag und warten mit drei anderen Booten auf die nächste Hebung um 14h. Ein paar Minuten später werden wir von Hafenmeister Dirk im Schlauchboot zu unserem Platz begleitet. (Siehe Bild).

ZUSAMMENFASSUNG:
23./ Nieuwpoort > Brügge: 42km, 3 Schleusen, einige Brücken, 6,3Mh
24./ Brügge > Gent: 45km, 5,4Mh
25./ Gent > Willebroek: 76 km, 1 Schleuse, 8Mh
26./ Willebroek > Lier: 14km, 2 Schleusen, 1,8Mh
27./ Lier > Antwerpen: 33km, 2 Schleusen, Brücken, 4,4Mh
Liebe Crew der Vagabond, es freut uns sehr, dass Ihr Eure Reise nun doch fortsetzen konntet. Wir lesen Eure Berichte mit großem Interesse und schon seit einiger Zeit und sind begeistert, wie Ihr die immer wiederkehrenden Unwägbarkeiten professionell meistert. Der Zwischenfall mit der Verletzung zeigt natürlich auch, dass man immer einen guten Schutzengel braucht. Da unser Liegeplatz auch in Maasbracht ist, hoffen wir auf eine Gelegenheit des persönlichen Austausch. Das würde uns als Bootsneulinge riesig freuen. Mit den besten Wünschen für Eure weitere Reise! Monika und Peter von der Monique
Vielen Dank für Eure Nachricht. Ja, sicher wird es eine Gelegenheit sich mal persönlich zu sehen.
Viele Grüsse aus Antwerpen.
Bis bald
VAGABOND Crew